Positionspapier "Plastikmüll in den Weltmeeren"
Meeresmüll - retten uns noch mehr Verbote?
Die Menge an schädlichem Plastikmüll in den Ozeanen und Meeren wächst mit jedem Tag. Bilder von toten Meeresbewohnern, deren Mägen mit Plastikmüll vollgestopft sind oder die sich in Fischernetzen und Plastikfolien verwickelt haben, finden sich wöchentlich in den Medien. Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der WWF machen zurecht mit großangelegten Kampagnen gegen die Plastikvermüllung der Ozeane mobil. Tatsächlich ist die Verschmutzung der Meere mit Plastik eines der drängendsten Umweltprobleme weltweit. Plastik, das ins Meer gelangt, kann nur schwer und nie vollständig wieder geborgen werden. Da Plastik nicht zerfällt, sind die Auswirkungen der Verschmutzung der Meere auf Mensch und Natur heute noch nicht vollständig absehbar.
Bisherige Abkommen zum Meeresschutz funktionieren nicht im ausreichenden Maße. Es mangelt an einem einheitlichen stringenten globalen Handeln. Zudem beruhen sie meist auf der freiwilligen Reduzierung von Eintragungen in die Umwelt oder sind geografisch auf einen Aktionsraum eingeschränkt. Meistens versticken sich Industrieländer in Einzelprojekte, die räumlich, zeitlich und finanziell begrenzt sind. Auch deutsche Bemühungen stoßen an Grenzen. Zwar werden im Rahmen der Umwelt- und Entwicklungsarbeit in Entwicklungs- und Schwellenländern Anlagen zur Mülltrennung sowie Kläranlagen finanziert und Know-How vor Ort aufgebaut. Diese Investitionen sind aber oft nicht nachhaltig, da eine dauerhafte Finanzierung fehlt.
Richtig ist, dass die wirtschaftlich starken Regionen wie Europa und Amerika, aber auch Schwellenländer wie China Verantwortung für die Verschmutzung der Weltmeere tragen. Viele Plastikwaren werden dort produziert und in die Welt exportiert.
Die Frage, die wir stellen müssen, ist, wie wir unserer Verantwortung gerecht werden.
Die Antwort der EU auf das Problem der Verschmutzung der Meere ist, zahlreiche Einwegartikel wie Strohhalme, Geschirr und Wattestäbchen ab 2021 zu verbieten.
Können die deutschen und europäischen Konsumenten die Welt retten?
Die Strategie der EU erzeugt den Eindruck, dass die deutschen und europäischen Konsumenten durch den Verzicht auf Plastikteller die Umwelt nachhaltig verbessern können.
Ein Blick in Studien zur Meeresverschmutzung zeigt aber, dass dem nicht so ist. In Europa gilt die Müllentsorgung als Teil der Daseinsfürsorge. Sie ist somit staatliche Aufgabe. Entsprechend ist in Europa flächendeckend eine institutionalisierte Müllsammlung etabliert.
In Deutschland, wo es ein hohes Bewusstsein für den Schutz der Umwelt gibt, sind die Kunststoff-Kreisläufe zu über 97% geschlossen. In Deutschland genutztes Plastik - von der Tüte bis zum Bohrer - landet bei ordnungsgemäßer Entsorgung im Recyclingkreislauf. Natürlich gibt es auch in Deutschland immer noch Verbesserungsmöglichkeiten. Aber das in Deutschland genutzte (Makro-)Plastik gelangt im Regelfall nicht in die Umwelt.
Dies gilt grundsätzlich auch für Europa – mit einer Ausnahme: leider ist das Deponierungsverbot noch immer nicht auf alle EU-Mitgliedstaaten ausgeweitet worden. Plastik, das auf einer Deponie liegt, ist physisch gesehen nicht weg. Es kann von Stürmen und Hochwasser oft sehr einfach und unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Staaten, die ihre Siedlungsabfälle auf Deponien weiterhin in der Erde lagern, lassen somit immer noch zu, dass Kunststoffe und auch andere Schadstoffe in der Umwelt verbleiben.
Plastikmüll in den Ozeanen ist ein globales Problem
Die Grundhaltung, nicht nur u.a. Nahrungs- und Trinkwasserversorgung, Bildung, Gesundheit und öffentliche Sicherheit, Telekommunikation und Mobilität als Daseinsvorsorge zu verstehen, sondern auch die Abwasser- und Müllentsorgung, wird in zahlreichen wirtschaftlich schwächeren Schwellen- und Entwicklungsländern nicht geteilt.
In vielen Ländern Asiens, Afrika und Mittel- und Südamerika bestehen keine institutionalisierten Müllsammel- und Entsorgungssysteme. Die Sammlung von Abfällen wird privatwirtschaftlich organisiert. Dabei wird oftmals insbesondere von dem ärmsten Teil der Bevölkerung versucht, aus Siedlungs-und Industrieabfällen mit primitivsten Methoden Ressourcen zurückzugewinnen.
Abfälle mit keinem oder niedrigem Ressourcenwert landen oftmals in den Umwelt. Flüsse und in Küstengebieten das Meer bieten oft eine Gelegenheit der einfachen Entsorgung. Siedlungsmüll wird auf wilden Deponien gesammelt oder direkt ins Meer gekippt oder vom nächsten Regen dorthin geschwemmt. Zu den größten Quellen des Plastikmülls in den Meeren zählen Flüsse wie der Yangtze (China), der Ganges (Indien, Bangladesch), der Amazonas (Peru, Kolumbien, Ecuador, Brasilien) und der Mekong (China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam).
Wer eine ernsthafte Reduzierung von Plastikmüll anstrebt, muss die Eintragswege von Kunststoff in die Umwelt näher betrachten und die Frage klären, was die wirtschaftlich entwickelten Länder tun können, um Strukturen so zu verändern, dass Müll gar nicht erst ins Meer gelangt.
Die Verantwortungskette für den Umgang mit Kunststoff fängt bei den Produzenten an und geht über die Händler hin zu den Ländern, in welchem die Konsumgüter und Produkte genutzt werden, und endet letztlich beim Verbraucher. In dieser Kette muss jeder seinen Beitrag leisten, um eine Reduzierung von Plastik in der Umwelt zu erreichen.
Nachhaltigkeit – auch bei der Ressourcenpolitik Ökologie und Ökonomie vereinen.
In Europa sprechen wir im Umgang mit Kunststoffen immer von einer Ressource. Tatsächlich kann Plastik wiederverwendet werden. Wichtig ist aber eine ehrliche Diskussion: Unmittelbar nach der Nutzung ist Plastikmüll genau das, was der Name sagt: Müll.
Dieser Müll muss gesammelt und sortiert werden. Erst der – möglichst stoffrein – sortierte Kunststoffabfall kann zu Granulat verarbeitet werden, welches dann preislich auf den Weltmärkten wirtschaftlich konkurrenzfähig ist.
Zentraler Grund für ein fehlendes Müllsammelsystem in Schwellen- und Entwicklungsländern ist mangelnde Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit, für die Müllsammlung und -sortierung aufzukommen – oft aus Unkenntnis des Potentials der Abfallwirtschaft. Dabei könnte die Rohstoffrückgewinnung die wirtschaftliche Unabhängigkeit von anderen Ländern stärken. Neben Kunststoff könnten wertvolle Materialien wie Kobalt oder seltene Erden in einem funktionierenden Entsorgungssystem effizienter zurückgewonnen werden.
Die globale Verantwortung für Reduzierung des Plastikmülls in Weltmeeren
Das Plastikproblem in den Ozeanen ist ein globales, die Lösung muss daher in gleicher Dimension gedacht werden. Als möglicher Zwischenschritt ist die Etablierung eines europäischen Systems und eine Neuordnung der europäischen Kunststoffstrategie denkbar.
Wir Freien Demokraten fordern:
Die globalen Konsumgüterproduzenten müssen in die Pflicht genommen werden, um diejenigen Länder, in denen der Plastikmüll anfällt, zu schützen. Die Etablierung einer gemeinsamen Finanzierung der Entsorgungssysteme in Schwellen- und Entwicklungsländern muss von denjenigen starken Schultern getragen werden, die durch den Verkauf ihrer Konsumgüter in diesen Ländern wirtschaftlich profitieren und somit auch für die Entsorgungssysteme der Abfälle Mitverantwortung tragen müssen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen. Schon heute zeigen Pilotprojekte, dass es möglich ist, Produkte mittels unterschiedlicher Verfahren – zum Beispiel mittels einer Blockchain – zu markieren. Diese Markierungen können die Inhaltsstoffe der Produkte für ein besseres Recycling darstellen. Sie können aber vor allem auch dem Produkt einen Entsorgungswert zuordnen. Dieser Entsorgungswert wird von den Herstellern hinterlegt. Wenn dieses Produkt oder die Verpackung als Abfall seinen Weg zu einer ordnungsgemäßen Sammelstelle findet, kann das hinterlegte Geld von dort abgerufen werden. So könnten professionelle Sammelsysteme auch in Schwellen- und Entwicklungsländern dauerhaft finanziert werden.
Die Digitalisierung der Entsorgungswirtschaft wäre ein großer qualitativer Fortschritt für das Recycling in Deutschland. Stoffströme könnten besser getrennt werden, die Qualität des Recyclings würde sich deutlich erhöhen. Für Europa ist ein solches System die Chance, die bisher national sehr unterschiedlichen Entsorgungssysteme in der Finanzierung anzugleichen. Die bislang sehr unterschiedliche Handhabung bspw. von Pfandsystemen führt immer wieder zu Konflikten entlang nationaler Grenzen. Zudem ist Europa als Absatzmarkt attraktiv, so dass sich auch andere Produzenten in einem ersten Schritt in die Entsorgungsverantwortung einbinden lassen werden. Diese Verantwortung ist – durch Skalierung des Systems – exportierbar. Wünschenswert ist natürlich eine unmittelbar globale Anwendung. Wichtig ist aber vor allem, dass wir konsequent in die richtige, globale Richtung gehen.
Wir brauchen eine internationaler Plastik-Konferenz nach dem Vorbild der Klima-Konferenzen
Um Schwellen- und Entwicklungsländer bei der Etablierung von Müllsammel- und Sortierungssystemen zu unterstützen, technisches Know-How auszutauschen und finanzielle Mittel gegebenenfalls zu Verfügung zu stellen, müssen alle Länder und die relevanten NGOs und Wissenschaftler an einen Tisch zusammengebracht werden. Wie es eine Weltklimakonferenz gibt, fordert die FDP daher eine internationale Plastikkonferenz mit dem Ziel, ein international verbindliches Meeresschutzabkommen abzuschließen, das die Eintrittswege von Plastik in die Umwelt ins Zentrum der Diskussion stellt.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt:
Vor dem Hintergrund des wachsenden Umweltbewusstseins Chinas (Blue Sky, National Sword, Green Fence) und der daraus folgenden deutlichen Reduzierung der Müllexporte nach China und der aufgezeigten laufenden öffentlichen Debatte um Plastikmüll in den Ozeanen, wäre jetzt der richtige Zeitung, dass die Bundesregierung die Initiative ergreift und für eine internationale Plastikkonferenz wirbt. Der Internationaler Standort Bonn würde sich hervorragend für die Ausrichtung einer solchen Konferenz eignen.
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