Judith Skudelny

Newsletter Juli 2019

Mit dem Mautdebakel des Verkehrsministers und dem Bundeshaushalt des Finanzministers habe ich diesmal zwei Aufregerthemen für Sie. Meine schriftliche Frage an die Bundesregierung zur Berechnung des Elterngelds macht deutlich, wo wir in Zukunft noch nachbessern müssen. Und ab Herbst wird es nach meinem Schreiben an den Bundestagspräsidenten endlich auch Infomaterialien in Brailleschrift im Bundestag geben.

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Judith Skudelny

Bundeshaushalt 2020: Der Finanzminister rechnet sich den Haushalt schön

Die Bundesregierung hat eine große Chance ungenutzt gelassen. Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat sie ideale finanzielle Rahmenbedingungen vorgefunden, um Deutschland auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten: Stetig steigende Steuereinnahmen, historisch niedrige Zinsen und anhaltendes Wirtschaftswachstum waren die Ausgangslage. Einnahmen in Rekordhöhe hätten dazu genutzt werden können, gleichzeitig Schulden abzubauen, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und strategisch klug zu investieren. Stattdessen hat die Bundesregierung in den wirtschaftlichen guten Zeiten das Steuergeld mit vollen Händen verteilt.

Obwohl die Konjunktur schwächelt und die Zeit immer weiter steigender Steuermehreinnahmen vorbei zu sein scheint, will sie von diesem Kurs nicht abrücken. Der Regierungsentwurf des Haushalts 2020 sieht vor, dass der Bund im kommenden Jahr 359,9 Milliarden Euro ausgeben kann. Das sind nochmal 3,5 Milliarden Euro mehr als 2019.

Auf dem Papier präsentiert der Minister zwar die schwarze Null. Da er nach der letzten Steuerschätzung mit weniger Einnahmen als ursprünglich angenommen rechnen muss, greift er bei der Finanzierung auf Rücklagen zurück. Nichtabgerufene Gelder aus der Asyl- und Flüchtlingsrücklage in Höhe von 9,2 Milliarden Euro helfen dabei, den Haushalt auszugleichen. Wolfgang Schäuble hatte diese Rücklage aus Haushaltsüberschüssen für die Unterbringung, Verpflegung und Sprachkurse der Flüchtlinge angelegt. Das sind Themen, die uns langfristig beschäftigen werden. Wie viel Geld wir dafür letztlich benötigen, lässt sich jetzt noch gar nicht absehen. Der aktuelle Finanzminister ruft die zurückgelegten Gelder ab, ohne die finanziellen Folgen zu überblicken. Wenn die Rücklagen erst aufgebraucht sind, stehen Städte und Kommunen im Regen. Sie dürfen die Kosten der Integration dann alleine schultern.

Mit dem Griff in die Rücklagenkasse verschiebt der Bund seine Belastungen in die Zukunft. Ergo: Auch wenn der Finanzminister von einer schwarzen Null spricht, übersteigen die Ausgaben bereits die laufenden Einnahmen des Bundes. Diese Null ist rot! Wir haben ein strukturelles Defizit im zweistelligen Milliardenbereich. Der Bund der Steuerzahler beziffert es für 2020 sogar auf mehr als 14 Milliarden Euro. Ende Mai lagen die Steuereinnahmen für dieses Jahr übrigens 1,8 % hinter denen des Vorjahrs. Setzt sich das fort, fehlen uns 2019 weitere 7 Milliarden Euro.

Notwendig wird der Finanzierungstrick, weil der Bundesfinanzminister auch in diesem Haushaltsentwurf wieder auf steigende Sozialausgaben setzt. Allein der Rentenzuschuss soll um weitere 3,7 Milliarden Euro erhöht werden. Insgesamt steigt das Sozialbudget deutlich stärker als die Steuereinnahmen. 2020 wird der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung erstmals über der 100-Milliarden-Euro-Marke liegen. Zum Vergleich: Die für Investitionen bereitgestellten Gelder liegen bei gerade 39,8 Milliarden Euro. Auch der Haushalt für Arbeit und Soziales soll trotz Rekordbeschäftigung bis 2023 um weitere 20 Milliarden anwachsen. Diese unnötigen Ausgaben ruinieren den Bundeshaushalt. Die eisernen Reserven müssen herhalten, um die Umverteilungsphantasien der Sozialdemokraten zu finanzieren. Das Maut-Desaster (siehe nächster Beitrag) verschärft die Situation weiter.

Die Ausgabenpolitik der Großen Koalition muss ein Ende haben. Wir Freie Demokraten sagen ganz klar: Keine Umverteilung auf Kosten der Zukunft! Ein Moratorium für neue Sozialtransfers ist angesagt. Ausgabenwünsche ohne Gegenfinanzierung wie die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung gehören gestoppt. Die Union trägt die Ausgabenpolitik der SPD mit, weil sie sich mit ihrer Zustimmung zur sozialdemokratischen Klientelpolitik das Fortleben der Koalition erkaufen will. Statt teurer Geschenke für die SPD sind zukunftsgewandte Investitionen für unser Land notwendig. Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur sind wichtiger als überflüssige Ausgaben und Subventionen. Wir müssen endlich die Prioritäten in unserem Land richtig setzen.

Der Bundestag wird sich nach der Sommerpause detailliert mit dem Haushaltsentwurf befassen. Die erste Sitzungswoche im September ist die sogenannte Haushaltswoche. Beschlossen wird der Bundeshaushalt 2020 voraussichtlich Ende November. Wir Freie Demokraten werden uns für einen mutigen Haushalt mit zukunftsgewandten Investitionen stark machen.

Mautdebakel: Wie hoch sind die wahren Kosten? Der Verkehrsminister muss unverzüglich die tatsächlichen Kosten offenlegen

Die PKW-Maut der Großen Koalition sollte ab Oktober 2020 auf Deutschlands Bundesstraßen und Autobahnen in Kraft treten. Kritik an der sogenannten Ausländer-Maut gab es reichlich: Wir Freie Demokraten haben das Projekt von Anfang an entschieden abgelehnt. Die Experten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags haben angemahnt, dass die Maut weder europarechtskonform sei noch die vom Verkehrsministerium angekündigten finanziellen Erlöse bringen werde. Österreich hatte sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet. Der Verkehrsminister trieb die Planungen derweil unbeirrt voran.

Am 18. Juni hat der EuGH dem Prestigeprojekt der CSU nun ein jähes Ende bereitet. Die deutsche Maut ist nicht vereinbar mit dem Europarecht. Die als Infrastrukturabgabe getarnte Abkassiererei von Ausländern diskriminiert und steht im Widerspruch zum europäischen Gedanken des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, so das eindeutige Verdikt.

Das Gesetz ist gekippt, die Ausländermaut vom Tisch. Die Folgen bekommt Deutschland trotzdem zu spüren. Zur Mautvorbereitung sind bereits Investitionen von über 50 Millionen Euro getätigt worden. Im Bundeshaushalt fallen fest eingeplante Einnahmen weg. Und trotz aller Warnungen hat der Verkehrsminister schon vor der Urteilsverkündung den Auftrag zur Mauterhebung an das Betreiberkonsortium KapschTrafficCom und CTS Eventim vergeben. Dadurch drohen Entschädigungsforderungen durch das Betreiberkonsortium, die laut einigen Presseberichten bis zu 500 Millionen Euro hoch sein könnten. Der Minister muss jetzt unverzüglich darüber aufklären, wie hoch die Folgekosten tatsächlich sind.

Das Gesetz vor der EuGH-Entscheidung auf den Weg zu bringen, war bestenfalls unprofessionell, letztlich aber ignorant. Ärgerlich ist obendrein, dass die Bundesregierung und vor allem das Verkehrsministerium so lange mit einem gescheiterten Projekt beschäftigt waren, dass andere wichtige Vorhaben zu kurz kamen. Notwendige Investitionen in die Digitalisierung blieben aus, marode Straßen, Autobahnen und Brücken wurden nicht saniert. Es ist höchste Zeit, dass das Verkehrsministerium sich auf seine Kernarbeit konzentriert! Ob mit dem Minister, wird sich zeigen.

Bundesregierung muss bei Berechnung des Elterngeldes nachbessern

Als Insolvenzanwältin bin ich in der FDP-Bundestagsfraktion auch Berichterstatterin für Insolvenzrecht. Vor diesem Hintergrund habe ich mich in einer Schriftlichen Frage an die Bundesregierung gewandt. Es ging mir darum, wie das Insolvenzgeld bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt wird. Schließlich erbringen die Empfänger im Gegenzug für das Insolvenzgeld eine Arbeitsleistung. Die Antwort der Bundesregierung ist leider enttäuschend.

Es kommt immer wieder vor, dass ein Arbeitgeber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Die Arbeitnehmer erhalten ihren Lohn dann nur teilweise oder gar nicht mehr. Als Ersatz für das fehlende Entgelt können sie in dieser Situation von der Agentur für Arbeit das sogenannte Insolvenzgeld beantragen. Diese Situation kann jeden Arbeitnehmer unverschuldet treffen. Meine Anfrage hat ergeben, dass das Insolvenzgeld bei der Berechnung des einkommensabhängigen Elterngeldes nicht berücksichtigt wird. Ein gravierender Nachteil für die Betroffenen. Denn Grundlage für das Elterngeld ist das durchschnittliche Nettoeinkommen des Arbeitnehmers in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes. Da Insolvenzgeld bis zu 3 Monate bezahlt werden kann, führt dies im Extremfall zu einer Verringerung um 25 % bei der Berechnungsgrundlage des Elterngeldes!

Die Bundesregierung lässt die Eltern damit gleich in einer doppelt schwierigen Lebensphase im Stich. Viele Angestellte, die ein Kind erwarten und gleichzeitig ihren Arbeitsplatz gefährdet sehen, werden in einer schwierigen betrieblichen Phase weiterarbeiten, um die Fortführung des Betriebs und somit den Erhalt des Arbeitsplätze sicherzustellen. Das ist auch ausdrücklich im Sinne der Insolvenzordnung. Beim Insolvenzgeld liegt somit - im Gegensatz zu anderen ebenfalls bei der Berechnung des Elterngeld unberücksichtigten Lohnersatzleistungen wie zum Beispiel dem Krankengeld - oftmals eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung vor.

Warum das Geld trotzdem nicht berücksichtigt wird, hat mir die Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend begründet. Leider ist die Rückmeldung fachlich unzulänglich. Sie argumentiert in ihrer Antwort auf meine entsprechende Schriftliche Frage, dass bei der Berechnung des einkommensabhängigen Elterngeldes nur die Erwerbseinkünfte berücksichtigt werden, die nach den steuerlichen Regeln bei der Berechnung der Steuer Berücksichtigung finden. Da das Insolvenzgeld von der Steuer befreit sei, so argumentiert die Bundesregierung, werde es nicht zur Berechnung des Elterngeldes herangezogen.

Tatsächlich unterliegt das Insolvenzgeld aber dem Progressionsvorbehalt. So wird das Insolvenzgeld zwar nicht versteuert, gleichwohl aber zur Ermittlung des Steuersatzes einbezogen. Im Klartext: Es hat eben doch steuerliche Relevanz.

Der Gesetzgeber sollte hier seinen Ermessensspielraum ausreizen und Familien in einer kritischen Phase unterstützen: Das Insolvenzgeld sollte künftig bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werden. Ich fordere die Bundesregierung daher auf, eine entsprechende Initiative zur Nachjustierung der Berechnung des Elterngeldes in den Bundestag einzubringen.

Infomaterialien des Bundestags für blinde und sehbehinderte Menschen

Vielfalt ist ein wichtiger Teil liberaler Politik. Ebenso ist die politische Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger ein Grundpfeiler der Demokratie. Es ist für mich daher selbstverständlich, in jedem Kalenderjahr einer Gruppe von Menschen mit Behinderung eine Informationsfahrt nach Berlin zu ermöglichen, um einen Einblick in die Funktionsweise des Deutschen Bundestags zu gewinnen. Das Programm der mehrtägigen Reise wird dabei auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gruppe zugeschnitten.

Umso mehr hat es mich überrascht, dass ich mit meiner Besuchergruppe aus blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern die Erfahrung gemacht habe, dass der Deutsche Bundestag keine Informationsunterlagen für sehbehinderte Menschen zur Verfügung hat. Besuchergruppen erhalten von mir stets Informations- und Werbematerialien des Deutschen Bundestages. Den Besuchern aus Stuttgart konnte ich leider nur Gummibärchen, Tassen und Jutebeutel des Bundestags mitgeben. Inklusion ist so ein wichtiges Thema, das gilt auch und gerade in der Politik, und ausgerechnet der Deutsche Bundestag erschwert es einer ganzen Bevölkerungsgruppe, sich über seine Arbeit zu informieren.

In einem dringenden Schreiben an den Bundestagspräsidenten habe ich deshalb darum geben, diesen gravierenden Missstand zu beheben und dafür zu sorgen, dass politisches Informationsmaterial über die Arbeits- und Funktionsweise des Deutschen Bundestags künftig sowohl für sehbehinderte als auch blinde Besucher zur Verfügung steht. Der Bundestagspräsident hat mir mittlerweile zugesichert, dass ab Herbst ein Faltblatt in Brailleschrift verfügbar sein wird.